LOTTA – ein Projekt des Christian-Gottfried-Ehrenberg-Gymnasiums Delitzsch

Interview aus der GEW-Mitgliederzeitung

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In einer der letzten Ausgaben der E&W befassten wir uns mit dem Thema der digitalen Notenbücher, am Beispiel einer Entwicklung aus unserer Lehrer*innenschaft hinaus. Kurz nach der Veröffentlichung des Artikels erhielten wir einen Leserbrief (veröffentlicht in der Ausgabe 7/8). Innerhalb dieser Zuschrift wurde ein weiteres Projekt vorgestellt, welches sich aus einer sächsischen Schule heraus entwickelte. Genau gesagt handelt es sich dabei um LOTTA, einer gemeinsamen Entwicklung von Lehrkräften und Schüler*innen des Christian-Gottfried-Ehrenberg-Gymnasiums Delitzsch. Eike Wiewiorra ist einer von 3 Initiatoren hinter LOTTA und stand uns dankenswerterweise für unsere Fragen bereit.

Herr Wiewiorra, können Sie noch einmal kurz erklären, was LOTTA ist?


Lotta ist eine Webapplikation (ein Programm, welches über einen Internetbrowser bedient wird), die wie eine Homepage aussieht und auch als solche wahrgenommen wird, aber zusätzlich als Cloudserver aller Nutzer genutzt werden kann, E-Learning-Plattform einer Schule ist und in Kürze einen geschlossenen Nachrichtenchat erhält.


LOTTA ist als gemeinsames Projekt von Lehrkräften und Schüler*innen Ihrer Schule entstanden. Wie kommt man auf die Idee, ein derartiges Projekt zu initiieren?


Rückblickend sind es eine Reihe von „Zufällen“, die das Projekt LOTTA möglich machten. Im fächerverbindenden Kurs „Medienkompetenz“ entwickelten drei Schüler ein Medienportal für unsere Schule, auf dem wir Galerien der Künstler, Videos der Podcast AG und Artikel der Schülerzeitung veröffentlichen konnten; der Vorläufer von LOTTA.


Ein nicht funktionierendes Schulnetz und der Wunsch, Dateien in der Schule und zu Hause zu bearbeiten, ließen uns über Alternativen nachdenken, die unabhängig von irgendwelchen Systemen kommerzieller Anbieter funktionieren.
Eine Schulleitung, die offen für Neues ist, keine Risiken scheut und vor allem einen Blick in die Zukunft wagt, ermöglichte erst das Projekt.


In erster Linie sind es jedoch die drei Schüler, die ihrer Idee treu geblieben sind und die erste Plattform, das Medienportal auch nach ihrer Schulzeit weiterentwickelt haben.
Alexis Rinaldoni ist einer der ehemaligen drei Schüler, der als mittlerweile studierter Informatiker und Teammitglied der einsA GbR die Infrastruktur von LOTTA nach den Wünschen der Schüler und Pädagogen realisierte und das Projekt als „Open Source Project“ weiterentwickeln möchte.


Welche Vorteile bietet LOTTA Ihrer Ansicht nach gegenüber anderen derartigen Systemen für Schulen?


Ich denke nicht, dass es aktuell vergleichbare Systeme gibt.
Der Vorteil von LOTTA ist, dass das System wie eine Homepage daherkommt. Es ist somit das Fenster der Schule nach außen und kann im Aussehen der Schule angepasst werden. Als angemeldeter Nutzer verändert sich das System und Funktionen werden aktiviert, die jeder Nutzergruppe unterschiedlich Rechte einräumen, die Plattform für sich zu nutzen. Dabei, und hier kommt die jahrelange Entwicklungsarbeit mit Schülern und Lehrer zum Tragen, ist die Arbeit mit LOTTA für Schüler konzipiert und in der Bedienung simpel und übersichtlich. ... und somit auch für Lehrer nutzbar.


Als wir durch die Corona-Pandemie von heute auf morgen in das Homeshooling wechseln mussten, habe wir vier Administratoren unserer Schule unser LOTTA in 48 Stunden den Erfordernissen angepasst und interessierten Lehrern eine 20-minütige Einführung gegeben. 97% der Pädagogen der Schule konnten somit ihre Schüler von zu Hause aus mit Aufgaben versorgen. Das Gymnasium hat damit den Schritt in das Zeitalter des E-Learnings in 48 Stunden bewältigt.


LOTTA ist Webseite, Lernplattform, Medienserver und Cloud-Speicher in einer Anwendung. Jeder Nutzer wird ohne informatorisches Wissen in der Lage sein, Lotta zu bedienen und kann dabei am System nichts kaputt machen. Ein Schwerpunkt der Entwicklung von LOTTA ist die Frage: Was benötigen die Protagonisten einer Schule in ihrem täglichen Tun und wie sind diese Arbeiten so einfach und natürlich wie möglich zu realisieren.


Die überwiegende Zahl der sächsischen Schulen ist bereits mit einer Schulhomepage online, viele Schulen orientieren sich zurzeit auf Lernsax als Lernplattform. Wo findet sich Ihre Plattform/Ihr System da wieder?


Es geht ja noch weiter: Viele Schulen nutzen „Indiware“ zur Erstellung von Vertretungsplänen. Einige Schulen probieren gerade das digitale Notenbuch aus. Es werden viele Systeme genutzt, um angeblich den Protagonisten das Leben zu vereinfachen. Doch was bedeutet das konkret für den Lehrer oder für den Schüler? Systemchaos und ein wachsender Arbeitsaufwand.


Lernsax ist das beste Beispiel. Aufgebläht und überladen mit Funktionen stellt es einen normalen Pädagogen vor Herausforderungen und ist in der Bedienung kompliziert und umständlich. Diese Plattform wurde mit enormen finanziellen Zuschüssen aus dem Boden gestampft und als, man möge mir verzeihen, regionales Datenmonster an den Start gebracht. Diese Systeme haben keine Zukunft, denn sie orientieren sich nicht am Bedarf der Lehrer und Schüler, was z.B. zeitintensive Einführungen und Workshops bewiesen haben.


90% meines täglichen Tuns als Lehrer findet in meiner Schule statt. Bewertungsmaßstäbe, Protokolle von Fachkonferenzen, Stoffverteilungspläne, Entwürfe für Arbeiten und Klausuren, der Vertretungsplan und meine konkreten Unterrichtsinhalte, Tafelbilder und Präsentationen u.a.m. gehören nicht auf eine regionale Plattform, sondern sollen an meiner Schule bleiben und in meinen privaten Ordnern gespeichert werden. Ich möchte entscheiden wer welche Inhalte sehen kann und mit wem ich mein Arbeitsmaterial teile.

Dafür ist LOTTA entwickelt wurden.
LOTTA ist Homepage, Cloudlösung und E-Learning-Umgebung für genau eine Schule. Jede Schule kann sich ihr LOTTA anpassen, indem sie eine Menüstruktur aufbaut, Nutzergruppen einrichtet, Sichtbarkeit von Kategorien und Beiträgen festlegt, diverse Kalender einbettet, den Vertretungsplan integriert u.v.m.. LOTTA kann von engagierten Kollegen administriert werden.

Dazu muss man kein Informatiker sein und, die Entscheidung trifft die Schule, es können so viele Administratoren eingesetzt werden, wie gewünscht. LOTTA positioniert sich somit als Lösung für die einzelne Schule, denn in erster Linie ist Lotta die Homepage einer Schule und soll auf eben nur einer Plattform das tägliche Arbeiten ermöglichen.
 

Carsten Müller (li) und Eike Wiewiorra (re) im Interview

Bei allen digitalen Plattformen und Projekten, vom Schulportal, über Lernsax bis hin  zu den digitalen Noten- und Klassenbüchern werden persönliche Daten von Lehrkräften, Schüler*innen, Eltern und anderen Beteiligten von Schule verarbeitet. Das Thema „Datensicherheit und Datenschutz“ drängt sich also fast zwangsläufig auf. Wie kommt Ihr System den Ansprüchen des Datenschutzes nach der VwV-Schuldatenschutz und der DSGVO nach?

In diesem Punkt haben wir bei der Entwicklung der Plattform einen Schwerpunkt gesetzt. Ein Nutzer registriert sich mit einer E-Mail und einem Passwort bei Lotta. Die E-Mail wird nirgendwo angezeigt und seinen Namen kann jeder Nutzer „verstecken“. Alternativ kann ein „Nickname“ angezeigt werden. Nur die Administratoren der Seite können die Nutzer mit Namen und E-Mail einsehen.
Der Datenverkehr vom Nutzer zum System und zurück sowie der Datenverkehr zwischen den Diensten, die das Lotta-System nutzt, ist verschlüsselt.

Alle Daten, die ein Nutzer in LOTTA abspeichert (Bilder, Tondokumente und Videos), werden in einem „privaten Ordner“ gespeichert, der bei der Registrierung angelegt wird. Dieser „private Ordner“ ist innerhalb des Systems besonders geschützt und kann nur vom Nutzer eingesehen werden. Nicht einmal die Administratoren haben das Recht die privaten Ordner einzusehen.

Jeder Beitrag, der erstellt wird, kann über die „Sichtbarkeit“ für bestimmte Gruppen einsehbar sein. Neben der E-Mail und dem Passwort regeln schulinterne „Schlüssel“ welche Beiträge und/oder welche Kategorien (Menüpunkte) ein Nutzer sehen kann. Hier sind die Möglichkeiten grenzenlos, denn die Schule kann so viele Gruppen und Schlüssel anlegen, wie sie möchte. Der einzelne Nutzer kann sich durch die Eingabe der „Schlüssel“ in seinem Profil in Gruppen einschreiben.

Beiträge werden in der Regel von Nutzern erstellt - der Nutzer wird zum Autor. Nur der Autor selbst und die Administratoren können Beiträge bearbeiten, korrigieren und/oder löschen. Ein Beitrag ist somit Eigentum des Autors.

Die Server und Dienste, die Lotta für das Projekt nutzt, stehen in Deutschland und sind im Sinne der DSGVO zertifiziert.

Sie hatten erwähnt, dass die Entwicklung von LOTTA seit mittlerweile 13 Jahren läuft. Ist ein Ende des Entwicklungsprozesses absehbar oder bietet das System noch Raum für Weiterentwicklungen?

Wir haben doch gerade erst begonnen. Im ersten Jahr haben wir 12 Updates installiert und dabei hauptsächlich an Features gearbeitet, die auf den Wunschzetteln unserer Nutzer standen, wie z.Bsp. eine Suchfunktion, das Einbinden externer Kalender oder die Integration der Vertretungsplan-App von Indiware.
Aktuell haben wir noch drei große Baustellen, an denen wir arbeiten: Ein internes Nachrichtensystem, ein Hilfesystem, welches individuell zugeschaltet werden kann und die Einführung von Teamordnern.
Grundsätzlich möchten wir LOTTA eine breite Auswahl an Layouts bereitstellen, so dass jede Schule ihr LOTTA individueller gestalten kann.
Eine Sache wird jedoch nicht passieren. Wir werden unser System nicht mit Funktionen vollstopfen, sondern bemühen uns um eine zurückhaltende, übersichtliche und natürliche „Nutzerexperience“, die sich an der täglichen Arbeit von Lehrern und Schülern orientiert.

Für die GEW ist neben der Bildung in der digitalen Welt u.a. auch das Thema „Ökonomisierung der Bildung“ ein wichtiges Feld. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass Sie im Rahmen der Projektarbeit eine Firma (GbR) gegründet haben. Warum sind Sie diesen Schritt gegangen?

Ein solch umfangreiches Projekt zu realisieren erfordert Dienste, Servertechnik, Speicherplatz, eine Entwicklungsumgebung, Testläufe u.a.m.. In Deutschland muss man dazu Verträge unterschreiben und Mindestlaufzeiten festschreiben.
In diesem Zusammenhang war es uns wichtig als Einheit aufzutreten und unter einem Namen in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Gerade beim Schreiben von Rechnungen und/oder E-Mails wollten wir klare Strukturen schaffen die gleichsam die Seriosität unseres Angebotes vermitteln. Da wir von unserem Projekt absolut überzeugt sind und an den Erfolg der Webapplikation glauben, war eine solide Gesellschafterform für uns ein Muss. Zudem lernt man schon in der Schule welche Vorteile ein klares „Corporate Design“ hat. (Info: Wiewiorra ist Kunst-Lehrer)

LOTTA ist keine Freeware, sondern wird in drei Preissegmenten angeboten.  Können Sie uns zum Abschluss des Interviews kurz erklären, wie sich diese Kosten zusammensetzen?

Grundsätzlich setzten sich die Kosten für ein LOTTA aus drei variablen Größen zusammen. Zum einen ist es der Speicherplatz der belegt wird. Eine zweite Variable ist der Traffic (das heißt wieviel Zugriff auf Dateien und Seiten monatlich real stattfindet) und die dritte Größe ist die Medienumwandlung von Bildern, Videos oder Audiobeiträgen.Ein Beispiel zum Verständnis: Wenn ein Nutzer ein Video zur Ansicht in einem Beitrag einbindet, wird das Video vom System LOTTA in 6 verschiedene Formate/Größen umgewandelt. Je nachdem mit welchem Endgerät ein Besucher der Webseite das Video betrachtet, liefert ihm LOTTA das, für sein Endgerät optimierte Video aus. Die aktuelle Preise von Lotta orientieren sich dabei an der Größe der Bildungseinrichtung und der daraus zu erwartenden Kosten.
Wir danken Ihnen für das Interview.

Wer LOTTA in der Praxis ansehen möchte, kann sich den öffentlichen Bereich der Homepage des Christian-Gottfried-Ehrenberg-Gymnasiums Delitzsch ansehen: https://ehrenberg-gymnasium.de/.

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